Das Schweizer Bundesgericht hat in seinem Urteil 5A_89/2024 eine bedeutende Entscheidung zu Fragen der Erbteilung und der Behandlung liechtensteinischer Treuhandunternehmen nach Art. 932a PGR getroffen. Der Fall betraf die Nachlassregelung eines 2013 verstorbenen Erblassers, welcher Treugeber und bis zu seinem Ableben Begünstigter am Vermögen eines liechtensteinischen Treuunternehmen („I. Trust Reg.“) war.

Während ein Teil der Erben seine Ansprüche durch einen Vergleich abgegolten hatte, stellte sich die Begünstigtenstellung des Erblassers am Vermögen des liechtensteinischen Treuunternehmens erst nachträglich heraus. Die Vermögenswerte des Treuunternehmens waren nicht in die ursprüngliche Erbteilung eingeflossen und zwei Kinder des Erblassers wurden beistatutarisch als Begünstigte eingesetzt. Die Kinder der vorverstorbenen Tochter des Erblassers forderten daraufhin eine Nachteilung aus diesen Vermögenswerten. Das Obergericht des Kantons Solothurn entschied, dass die Vermögenswerte zum Nachlass zugerechnet werden sollten.

Gegen diese Entscheidung erhoben die Kinder des Erblassers Beschwerde an das Bundesgericht.

Die Entscheidung des Bundesgerichts

Das Bundesgericht hob die Entscheidung des Obergerichts auf und hielt fest, dass die Vermögenswerte des liechtensteinischen Treuunternehmens nicht zum Nachlass des Erblassers gehörten. Die Begründung:

1. Rechtliche Selbständigkeit des Treuunternehmens: Das Bundesgericht erkannte, dass das Treuunternehmen als eigenständige juristische Person anzusehen ist. Der Erblasser hatte zu Lebzeiten unwiderruflich auf alle Rechte am Trustvermögen verzichtet, sodass dieses nicht mehr zu seinem Vermögen gehörte und somit nicht in seinen Nachlass fallen konnte.

2. Kein Durchgriff auf das Trustvermögen: Die Rechtsfigur des Durchgriffs ist eine Ausnahme vom Grundsatz, dass die rechtliche Selbstständigkeit juristischer Personen zu beachten ist. Das Gericht lehnte einen Durchgriff auf das Trustvermögen ab, da keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Erblasser die juristische Person des Treuunternehmens rechtsmissbräuchlich einsetzte. Es handelte sich nicht um einen sogenannten „sham trust“ (Schein-Trust), welcher einen Durchgriff rechtfertigen würde.

3. Ausgleichungspflicht: Das Bundesgericht stellte ausserdem fest, dass diese konkrete Einsetzung der Kinder des Erblassers als Begünstigte des Trusts keine ausgleichungspflichtige Zuwendung im Sinne von Art. 626 ZGB darstellt. Dies wird damit begründet, dass die Begünstigten keinen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf das Vermögen haben. Aufgrund einer solchen Ermessensbegünstigung kann keine Ausgleichungspflicht begründet werden.

Auswirkungen auf liechtensteinische Gesellschaften und Trusts

Das Urteil hat im Zusammenhang mit der Nachlassplanung einige Implikationen für liechtensteinische Gesellschaften, insbesondere für Treuunternehmen,  , die eine Verbindung zur Schweiz haben:

1. Anerkennung von Treuunternehmen: Das Bundesgericht bestätigte, dass liechtensteinische Treuunternehmen in der Schweiz grundsätzlich anerkannt werden, sofern sie den liechtensteinischen Rechtsvorschriften entsprechen. Dies stärkt die Rechtssicherheit für solche Strukturen.

2. Keine automatische Einbeziehung in den Nachlass: Vermögenswerte, die in einem Treuunternehmen gehalten werden, gehören nicht automatisch zum Nachlass des Erblassers, sofern dieser zu Lebzeiten unwiderruflich auf seine Rechte verzichtet hat. Dies ist insbesondere für Erben und Begünstigte von Bedeutung, die sich auf die rechtliche Selbständigkeit des Treuunternehmens berufen.

3. Ausgleichung der Begünstigung: Das Urteil unterstreicht, dass die Einräumung einer Begünstigtenstellung in einem Treuunternehmen nicht zwangsläufig zu einer Ausgleichungspflicht führt. Hier ist darauf zu achten, dass noch keine Ausschüttungen vorgenommen wurden und den Erben kein rechtlicher Anspruch auf Ausschüttungen zukommt (sog. „discretionary beneficiary“). Ist das Treuunternehmen nicht als Ermessensbegünstigung ausgestaltet oder sind Ausschüttungen bereits erfolgt, ist eine ausdrückliche Verfügung des Erblassers erforderlich, dass keine Ausgleichungspflicht bestehen soll.

Fazit

Das Urteil 5A_89/2024 zeigt eindrücklich, wie komplex die Nachlassplanung mit internationalen Vermögenswerten sein kann. Für Erblasser und deren Erben ist es entscheidend, fundierte und rechtskonforme Strukturen zu schaffen sowie dokumentieren zu lassen. Internationale Nachlassplanung bedarf einer genauen und präzisen rechtlichen und steuerlichen Abklärung, um letztlich den Willen des Erblassers gewährleisten zu können. Das Urteil unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Gestaltung des Nachlasses, um unerwünschte Auswirkungen auszuschliessen. Hierfür ist eine umfangreiche und frühzeitige Beratung erforderlich, um spätere Erbstreitigkeiten präventiv zu vermeiden.